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Draußen Malen V (der innere Schweinehund)

Draußen malen ist ja etwas, was wirklich alle guten Maler wärmstens empfehlen. Mit Recht, aber das alles hat seine Tücken.

Mit Plein-Air habe ich als Jugendlicher begonnen, damals gab es höchstens Fotos, keine Computer oder Mini-Kameras, man musste also raus, wenn man nicht von Büchern abmalen wollte. Dann bin ich aber stecken geblieben und habe 25 Jahre keinen Pinsel mehr angerührt. Und jetzt musste ich wieder ganz von vorne beginnen.

Die zweite Draußen-Mal-Aktion kam mit einem Malkurs vor etwa vier Jahren. Da musste man mitmachen, aber man kann sich ja toll in der Gruppe und hinter dem breiten Rücken des Kursleiters verstecken. Weiterhin hatte ich das Glück, ein paar Mal mit Lambert van Bommel malen zu dürfen. Alles in allem aber vielleicht so zwanzig, dreißig Mal in vier Jahren. Nicht übermäßig viel. Und selten ganz alleine.

Die eigenen Versuche waren noch dazu immer  davon geprägt, dass ich mich schön bequem in stille Eckchen gestellt habe. Landschaft, Bergeinsamkeit (jaja, Einsamkeit ist hier durchaus Methode). Bloß kein Publikum…

Es mag Leute geben (man nennt das, glaube ich, »Rampensau« :-), denen es nichts ausmacht, vor Publikum alles mögliche zu machen. Ich muss das erst lernen.

Für diesen Sommer habe ich mir deshalb vorgenommen, das zu ändern. Denn es gibt da einen Traum: ich will unabhängig vom Standort malen können. Ein unbezahlbarer Grad von Freiheit.

Hier die Geschichte, wie ich es angegangen bin und geschafft habe.

Als Austragungsort habe ich mir ein schönes kleines Städtchen, etwa 50 km von meinem Wohnort ausgesucht. Weit genug, dass mich keiner kennt, aber eben doch eine Stadt mit Fußgängerzone und einer schönen Anzahl von alten Häusern. Und mit vielen richtigen Menschen! Am Mittwoch war schönes Wetter, also Malzeug eingepackt* und losgefahren. Während der Stunde Anfahrtszeit steigt das Lampenfieber. Gleich einen Parkplatz gefunden, soweit soll es also schon mal sein.

Dann los, Rucksack aufgeschnallt und los in Richtung Innenstadt. Ich sehe komisch aus: Schirmmütze für Schatten im Gesicht, darunter ein Tuch, das den Nacken verhüllt (jaja, früher hatte auch ich volles langes Haar), ich mag keinen Sonnenbrand bekommen. Dann eine farb-verkleckerte Trekking-Hose, der Rucksack, aus der die Staffelei herausguckt und der Block unterm Arm…

Was mir sehr hilft: ein kleiner Dreibeinhocker und ein Mini-Skizzenbuch. Damit habe ich auch am Anfang keine Schwierigkeiten, mich irgendwohin zu setzen und eine kleine Zeichnung zu machen. Zum »Warmlaufen« sozusagen…

Bedeutend höher ist die Hürde, die Staffelei aufzubauen und »ernsthaft« mit dem Malen zu beginnen. Ich muss zugeben, dass ich den ganzen Tag durch die Stadt stiefele, um mich am Abend erst in einer versteckten Ecke hinzustellen und zaghaft etwas zu malen. Wieder das Übliche, ich trau’ mich einfach nicht.

Das zählt nicht mal als Achtungserfolg. Am nächsten Tag also nochmal. Wieder das Malzeug eingepackt, wieder das gleiche Ziel. Wieder herumgedrückt und nur ein paar Zeichnungen gemacht.

In meinem Kopf ist ein ständiger Widerstreit zwischen »Ach, ich hab keine Lust mehr, das wird doch sowieso nix!« und »LOS JETZT! Sonst wird das NIE!«. Nachmittags ist es dann soweit, dass ich mich an eine Ecke erinnere, wo man es doch eigentlich probieren könnte. Also gehe ich da nochmal hin. Zuerst eine kleine Zeichnung, dann tief Luft geholt, und dann traue ich mich endlich!

Nach anderthalb, zwei Stunden bin ich völlig fertig, mental wirklich geschafft. Die Leute, die Umgebung, der Lärm, Autos, Motorräder, Kirchenglocken, eine Orgel (die Kirchentür da hinten steht offen), Leute, die mich nach dem Weg fragen, ein Mädchen, das mir erzählt, dass es Künstlerin werden will und ob sie zuschauen darf. Hat mich absolut überfordert. Überflüssig zu erwähnen, dass das Ergebnis eine Katastrophe ist, aber ich habe zwei wichtige Dinge gelernt: Erstens, die Leute, die vorbeikamen, haben entweder keine Notiz genommen oder waren einfach nur nett! Keinerlei abfällige Bemerkungen oder Kritik. Und zweitens: man muss es irgendwie schaffen, die Umgebung ausblenden. Das ist mir nicht gelungen, und so blieb keinerlei Konzentration für’s Malen übrig.

Ich habe diese Aktion in der Woche drauf wiederholt. Am ersten Tag erneut nur Murks produziert. Wieder lag der Fehler daran, dass ich immer noch zu sehr auf die Umgebung reagiere. Ob man das bewusst steuern kann, weiß ich nicht, aber am vierten Tag habe ich genau dies geschafft. Ich war so »weg«, dass ich meine Umgebung nicht mehr wahrgenommen habe. Mehrfach bin ich erschrocken, weil mich jemand von hinten angesprochen hat, den ich nicht bemerkt hatte. Und: das Ergebnis ist Welten besser!

Fazit: nach der wirklich schlimmen Überwindungsphase ist sehr schnell der Spaßfaktor eingetreten. Das Plein-Air-Malen wird in Zukunft bei mir einen festen Platz einnehmen.

P.S.: Ich schreibe dies in aller Ausführlichkeit für die Leute, die ebenfalls Schwierigkeiten oder Hemmungen haben, nach draußen zu gehen. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen, den inneren Schweinehund zu besiegen. Schreibt mir Eure Erfahrungen!